Demenzmanifest
In der Schweiz leben rund 155 000 Menschen mit Demenz. Bis zu drei Angehörige sind pro erkrankte Person in Begleitung, Betreuung und Pflege involviert. Hinzu kommen Zehntausende von engagierten Fachkräften. Sie alle sind täglich mit der Krankheit und ihren Folgen konfrontiert. Sie alle sind somit mitbetroffen.
Ein gutes Leben mit Demenz ist möglich! Dazu braucht es aber bessere Rahmenbedingungen. Diese zu schaffen, war das erklärte Ziel der Nationalen Demenzstrategie, davon spüren wir aber noch nichts. Nun läuft sie Ende 2019 aus. Deshalb ist die Zeit reif, dass…
Die Ziele der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 dürfen kein Lippenbekenntnis bleiben. Den vielen Worten und Papieren müssen jetzt Taten folgen – und zwar konkrete und spürbare. Deshalb haben wir auf dieser Website hunderte Forderungen gesammelt: «Was braucht es für ein besseres Leben mit Demenz in der Schweiz?» Am stärksten bewegen die drei Themenfelder «Gesundheitsstrukturen», «Entlastung» und «Öffentlichkeit». Das Manifest der Betroffenen bündelt diese Forderungen:
Demenz ist nicht heilbar. Für ein gutes Leben mit Demenz ist entscheidend, dass die richtigen Weichen früh gestellt werden. Direkt nach der Diagnose braucht es daher bezahlte krankheitsspezifische Beratung und Begleitung – so wie es für andere Erkrankungen längst selbstverständlich ist!
Damit diese effizient und effektiv ist, muss sie individuell auf unsere persönliche Lebenssituation zugeschnitten sein. Das spart nicht nur wertvolle Zeit und Lebensenergie, sondern wir Menschen mit Demenz sind damit besser in der Lage, die notwendigen Schritte für ein selbstbestimmtes Leben mit Demenz einzuleiten – bevor es demenzbedingt nicht mehr möglich ist.
Und wir Angehörige erhalten die dringend nötige Unterstützung für die herausfordernde Aufgabe, unseren demenzerkrankten Nahestehenden beizustehen – und selbst gesund zu bleiben als wichtige Betreuungs- und Bezugspersonen. Die Belastungen, denen wir von den ersten Anzeichen über die fachärztliche Diagnose bis hin zur effektiven Hilfe ausgesetzt sind, stehen in direktem Zusammenhang mit der Demenzdiagnose. Diese müssen daher endlich als zentraler Bestandteil einer integrierten Versorgung anerkannt und finanziert werden!
Autonomie und Selbstbestimmung drücken sich auch darin aus, dass wir selbst entscheiden können, welche Unterstützung wir für unsere individuelle Lebenssituation benötigen. Jeder Mensch mit Demenz (Subjekt) soll die Kosten für seinen persönlichen demenzbedingten Betreuungs- und Pflegebedarf direkt vergütet bekommen.
So erhalten wir mehr Selbstbestimmung und Freiheit bei der Wahl unserer Betreuung. Wir wollen und können diese Eigenverantwortung übernehmen, weil sie eine wirksame Unterstützung ist und zu nachhaltiger Entlastung führt – bei uns Betroffenen, bei uns Angehörigen sowie bei den volkswirtschaftlichen Gesundheitskosten!
Die bürokratischen Hürden müssen deutlich gesenkt werden. Anträge wie zum Beispiel für Hilflosenentschädigung, Ergänzungsleistungen oder Invalidenrente sind heute teils so komplex, kompliziert und langwierig, dass sie weder Menschen mit Demenz noch Angehörige ohne fachliche Beratung stellen können. Viele betroffene Familien kommen daher an den Rand der Sozialhilfe, weil die Prozesse Monate dauern, manchmal sogar Jahre. Schon vereinfachte, standardisierte und öffentliche zugängliche Musterdokumente könnten helfen, Antragsverfahren deutlich zu beschleunigen.
So erhalten wir Menschen mit Demenz und Angehörige schneller einen wichtigen, weil für unsere Zukunft weichenstellenden Entscheid.
Der «Demenzmarkt» ist unübersichtlich. Für uns Menschen mit Demenz und uns Angehörige wird es zunehmend schwieriger, seriöse Anbieter zu identifizieren.
Der einfache – und vor allem eindeutig erkennbare – Zugang zu qualitätszertifizierter (das heisst fachlich und politisch anerkannter) Information und professioneller Hilfe an einem Ort ist zwingend, um die von vielen von uns erlebte Odyssee zukünftig zu vermeiden.
Menschen, Unternehmen und Organisationen, die sich in besonderer Weise für unsere Anliegen und unsere Lebensqualität einsetzen, müssen öffentlichkeits- und medienwirksam ausgezeichnet werden, vergleichbar dem «Prix Courage». Denn sie sind Botschafter in unserer Sache.
Auch für uns Menschen mit Demenz müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die uns darin unterstützen, in der Öffentlichkeit aufzutreten – ohne Scham und ohne Furcht oder Angst.
Besondere Zielgruppe solcher Kampagnen sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, denn sie sind die Angehörigen der Zukunft. Auch Arbeitgebende können mit mehr Wissen um die Erkrankung einen wesentlichen Beitrag zu einem guten Leben mit Demenz leisten.